Herbizide im Verkauf Pro Natura
02.01.2019

Glyphosat direkt in den Warenkorb

Herbizide werden trotz Verbot oft auf Strassen, Wegen und Plätzen eingesetzt. Eine Studie zeigt: Private und professionelle Anwender handeln teils aus Unwissen, teils mutwillig. Schärfere Verkaufsbestimmungen sind beim Bund aber tabu.

Der Einsatz von Herbiziden auf Rasenflächen oder im Garten ist in der Schweiz erlaubt, daher sind die Mittel im Handel frei erhältlich. Auf Strassen, Wegen und Plätzen sind sie hingegen verboten. Im öffentlichen Sektor gilt dieses Verbot seit rund 30 Jahren, für Privatleute seit 2001. Nun hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) versucht zu eruieren, inwiefern das Herbizidverbot bekannt ist und auch eingehalten wird. Dazu wurden auf freiwilliger Basis einige Hundert Personen sowie mehrere Detailhändler befragt.

Das Ergebnis ist ernüchternd. Rund die Hälfte der privaten Anwender ist gar nicht informiert über das Verbot. 90 Prozent der Mitarbeiter im öffentlichen Sektor kennen zwar die korrekte Anwendung, doch die Hälfte hält sich nicht daran.

Ungefiltert in unsere Gewässer

Plätze, Wege und Strassen sind oft auf einem kiesigen Untergrund gebaut. Hier werden die giftigen Stoffe nicht im humusreichen Boden zurückgehalten und langsam abgebaut. So gelangen sie ins Grundwasser und unsere Gewässer, wo die Grenzwerte im ganzen Land regelmässig überschritten werden (das Pro Natura Magazin hat mehrfach darüber berichtet).

Die Hauptquelle der Gewässerverschmutzung ist die Landwirtschaft, doch auch im Siedlungsgebiet werden zu viele Gifte eingesetzt. Total werden in der Schweiz jährlich 2200 Tonnen Pestizide verkauft, der Grossteil an Bauern. Genauere Zahlen existieren nicht.

Gefährliche Mittel frei erhältlich

Dass so viele Privatanwender nicht über das Verbot informiert sind, sei «enttäuschend», sagt Magali Lebrun vom Bafu. Zwar sind sich laut Studie viele «der Problematik bewusst», trotzdem nimmt die Menge der eingesetzten Gifte nicht ab. Gemäss der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung müssen die Läden die Kunden mit Hinweisen, die «gut sichtbar, leserlich und unverwischbar» sind, über das Herbizidverbot informieren. Ob das tatsächlich umgesetzt wird, geht aus der Studie nicht hervor. Auch auf Nachfrage sind beim Bafu keine genaueren Infos erhältlich.

Tatsächlich aber sind in vielen Garten- und Baumärkten – und auch online – Herbizide ohne besondere Information über den korrekten Einsatz erhältlich. Selbst Totalherbizide wie der «Weedkiller» Roundup mit dem höchst umstrittenen und wahrscheinlich krebserregenden Wirkstoff Glyphosat können ohne irgendwelche Warnungen in den Warenkorb gelegt werden. Allfällige Hinweise zu Anwendungseinschränkungen sind nur auf den meist kleingedruckten Produktinformationen zu lesen.

Dieser Missstand könnte einfach behoben werden: Die Verkaufsstellen könnten etwa verpflichtet werden, die Umweltgifte nur mit persönlicher Beratung aushändigen zu dürfen. Oder es könnte gar ein totales Verkaufsverbot von Pestiziden erlassen werden. Doch eine Verschärfung der Praxis oder ein Verbot des Herbizidverkaufs an Private stehen beim Bafu nicht zur Diskussion.

Verbot wird ignoriert

Professionelle Herbizid-Anwender sind etwa Gemeindearbeiter, Landschaftsgärtner und Hausabwarte. Von ihnen foutiert sich laut der Studie rund die Hälfte um das Verbot. Allerdings «nicht aufgrund von fehlendem Wissen», sondern wegen des Mehraufwands, «der aus dem Einsatz alternativer Methoden resultiert. In vielen Gemeinden ist der Druck, Kosten einzusparen, grösser geworden», so die Studie. Bei den Professionellen will das Bafu das Problem mit mehr Ausbildung angehen.

Als Grund für den Einsatz von Herbiziden wird mitunter die unkontrollierte Verbreitung von invasiven Neophyten genannt. Auch hier aber könnte dem Problem mitunter vorgebeugt werden, indem besonders schädliche Pflanzen gar nicht mehr verkauft werden dürfen. Doch Verbote seien auch hier schwierig durchzusetzen, sagt das Bafu. Man könne hier nicht allein entscheiden.

Fehlende Strategie

Und weshalb greifen die Behörden nicht stärker durch gegen die Missachtung des Herbizidverbots? Zuständig für die Umsetzung des Gesetzes seien die Kantone, heisst es beim Bafu. Deren Ressourcen seien beschränkt.

Fazit: Es besteht ein Verbot, die eine Hälfte der Betroffenen kennt es nicht, die andere foutiert sich darum. Der Bund nimmt das schulterzuckend zur Kenntnis und hat andere Prioritäten, als den gesetzeswidrigen Einsatz von Herbiziden zu stoppen. Eine Strategie, um das Problem zu lösen, fehlt.

Daniel Bütler arbeitet als freischaffender Journalist.

 

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«Probleme liegen beim Vollzug»

Magali Lebrun ist beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) für den Bereich Herbizide zuständig.

Pro Natura Magazin: Wie beurteilen Sie die Ergebnisse Ihrer Studie?

Es zeigt sich, dass sich in den letzten Jahren nicht so viel bewegt hat. Dass viele Private nicht über das Herbizidverbot informiert sind, ist enttäuschend.

Wäre es da nicht sinnvoller, den Verkauf von Herbiziden an Private zu verbieten?

Das wäre in der Tat die einfachste Lösung. Der Bundesrat wollte bisher kein solches Verbot. Und für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist nicht das Bafu zuständig, sondern das Bundesamt für Landwirtschaft. Statt eines Verbots gäbe es die Möglichkeit, nur noch verdünnte Mittel, die «ready to use» sind, zu erlauben. Heute mischen die Privaten ihre Mittel aus Konzentraten meist selber zusammen und dosieren sie teilweise wohl zu hoch.

Die Läden müssten die Kunden über den gesetzeskonformen Einsatz der Herbizide informieren. Tun sie das auch?

Das Verbot ist auf den Etiketten der Produkte festgehalten. Die Läden stellen weitere Infos zur Verfügung, im Detail haben wir die Situation in der Studie aber nicht untersucht.

Rund die Hälfte der professionellen Anwender hält sich nicht ans Herbizidverbot. Wie wollen Sie die Situation verbessern?

Generell hoffen wir auf mehr Sensibilisierung für das Thema durch den Aktionsplan Pflanzenschutz. Zudem diskutieren wir verschiedene neue Massnahmen. Für professionelle Anwender wollen wir die Fachbewilligung ausbauen: Eine solche braucht schon jetzt, wer Pflanzenschutzmittel ausbringen will. Denkbar ist, dass Professionelle künftig alle fünf Jahre eine obligatorische Weiterbildung absolvieren müssen. Oder dass sie die Bewilligung beim Kauf der Mittel zwingend vorlegen müssen.

Und wie wollen Sie das Verbot bei Privaten stärker durchsetzen?

Bisher sind keine konkreten Massnahmen geplant. Privatanwender sind generell schwerer zu erreichen als professionelle. Die Probleme liegen hier auch im Vollzug, für den die Kantone zuständig sind. Diese haben begrenzte Ressourcen. db

Weiterführende Informationen

Info

Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.

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