Glyphosatbehandeltes Feld im Frühjahr

Keine Pestizide in unserer Umwelt!

Die Schweiz gilt als Wasserschloss Europas. Doch auch wenn wir uns noch nicht über die Menge an Wasser sorgen müssen: Unbelastet sind unsere Gewässer schon lange nicht mehr. Durch die Landwirtschaft gelangen jedes Jahr tonnenweise Pestizide auf den Boden, in unsere Gewässer – und früher oder später in unseren Organismus.

Pilze, Wildkräuter, Insekten: Die Schweizer Landwirtschaft wehrt sich gegen einige Störenfriede, um ihre hohen Erträge in der Nahrungsmittelproduktion zu sichern. Abhilfe schaffen Pestizide: Jedes Jahr sind es rund 2'000 Tonnen an sogenannten Fungiziden, Herbiziden und Insektiziden, die die Schweizer Bauern über ihre Felder spritzen – über fünf Tonnen pro Tag.

Pestizide, das sind chemische Substanzen, die schädliche Lebewesen töten oder lästige Pflanzen in ihrem Wachstum hemmen. Spätestens mit dem Regen wird ein Teil dieser Gifte von den Feldern weggewaschen. Die Pestizide landen in einer Drainage, in einem Bach, einem Fluss, einem See. Und können dort ihre Wirkung weiter entfalten. Schlimmer noch: Weil sich unterschiedliche Pestizide vermischen, entsteht ein richtiger Cocktail. In den Wasserproben von untersuchten Bächen wurden mehrfach über 100 verschiedene Wirkstoffe gefunden.

Ohne Pestizidverzicht ändert sich nichts

Dieser Cocktail hat verheerende Folgen: In unseren Gewässern tummeln sich Kleinstlebewesen, die einen wichtigen Beitrag zu unserem Ökosystem leisten. Kommen sie in Kontakt mit dem Pestizidcocktail, ist es meist der Anfang vom Ende. Wie bei hunderten von Insektenarten, die in der Schweiz gefährdet sind. Das Insektensterben ist dabei ein alarmierendes Zeichen für den Verlust der Biodiversität – und solange die Schweiz in diesem Ausmass Pestizide in die Umwelt versprüht, wird sich daran nichts ändern.

Mit den Pestiziden sterben allerdings nicht nur die Insekten – die Auswirkungen sind viel verheerender. So kann ein sogenanntes «Pflanzenschutzmittel» neben seinem Nutzen für die Landwirtschaft gleich einen ganzen Schlag von Tieren schädigen: Mehrere Studien konnten nachzeichnen, dass auch Vögel, Amphibien, Käfer, Schmetterlinge, Bestäuber wie Bienen und Hummeln und auch einzelne Säugetiere von den Pflanzengiften betroffen sind. Über die Nahrungskette wandern die Gifte in die Organismen der Tiere und sorgen für irreparable Schäden.

Früher oder später landet das Gift im Wasser

Auch die Qualität des Wassers ist alarmierend: Nicht nur die Vielzahl an giftigen Stoffen, die in unseren Gewässern nachgewiesen werden, sondern auch die Konzentration der einzelnen Pestizide, die oft über dem Grenzwert liegt. Auf die staatliche Zulassung kann man sich hierbei nicht verlassen: «Es sind heute Pflanzenschutzmittel zugelassen, die wegen ihrer möglichen Abschwemmung in ein Gewässer auch bei vorschriftgemässer Anwendung zu unannehmbaren Nebenwirkungen auf Wasserlebewesen führen können.» Das schreibt der Bundesrat auf eine parlamentarische Anfrage.

Die Tatsache, dass die Pestizide (der Wirkstoff oder Abbauprodukte, sogenannte Metaboliten) früher oder später im Wasser landen, wird oft und gerne vernachlässigt. 75 Prozent des Schweizer Gewässernetzes sind kleine und sehr kleine Bäche. Diese Gewässer sind besonders stark durch die Fremdstoffe belastet und müssten deshalb besonders vor solchen Verschmutzungen geschützt werden.

Die Pestizid-Industrie kontrolliert sich selbst

Das Bundesamt für Landwirtschaft und das Bundesamt für Umwelt sind die federführenden Institutionen, wenn es darum geht, Pestizide für den Schweizer Markt freizugeben. Die Stoffe werden erst verkauft, wenn die Laborstudien erfolgreich waren. Allerdings ist es die Pestizid-Industrie selbst, welche die Studien durchführt und bewertet. Eine kritische Hinterfragung der Wirkstoffe bleibt somit weitgehend aus.

Dabei sollten wir gerade darauf ein Auge werfen: Denn durch den Pestizideinsatz besteht nicht nur ein erhebliches Risiko für Insekten und Gewässerorganismen, sondern auch für unser Trinkwasser. Die Gifte, die sich auf unseren Lebensmitteln und in unserem Trinkwasser tummeln, gelangen früher oder später in unseren Organismus.

Gesundheitliche Schäden sind bekannt

Bereits 2009 hat eine Studie nachgewiesen, wie viele Pestizide wir über die Nahrung aufnehmen: 0,4 Promille pro Kilogramm ausgetragenem Pestizid kommen über Früchte und Gemüse in unseren Organismus. Hochgerechnet auf die jährlich ausgetragenen Wirkstoffe heisst das: Jeder Schweizer konsumiert im Jahr mindestens 10 Gramm Gift – und dieser Wert bezieht sich nur auf die Nahrung, die in der Schweiz produziert wurde. Importierte Produkte, die mit Glyphosat oder anderen Giften behandelt werden, kommen zu dieser Rechnung noch hinzu.

Direkt damit verbunden sind gesundheitliche Schäden: Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte bereits 2015 Glyphosat als «wahrscheinlich krebserregend» für Menschen ein. Das Unkrautvernichtungsmittel steht auch unter Verdacht, Missbildungen bei Neugeborenen auszulösen. In Frankreich ist Parkinson bei Bauern als Berufskrankheit nach jahrzehntelanger Arbeit mit Pestiziden anerkannt. Die Schweizer Bauern setzen sie trotzdem noch immer grossflächig ein.

Das will Pro Natura erreichen

Um vom Bund Direktzahlungen zu erhalten, muss jeder Bauer den sogenannten ökologischen Leistungsnachweis erfüllen. Dieser regelt neben der tiergerechten Haltung auch den Einsatz von Dünger, ökologische Ausgleichsflächen oder die Anwendung von Pestiziden. Zwanzig Jahre nach dessen Einführung ist aber klar: Was bisher geschah, reicht bei weitem nicht.

Weil die Schweizer Pestizidlobby ihre Interessen politisch sehr wirksam durchsetzen kann, braucht es kritische Organisationen wie Pro Natura. Wir setzen uns ein für eine Landwirtschaft mit einer gesunden, einheimischen Lebensmittelproduktion im Einklang mit der Natur. Deshalb fordern wir eine bessere Regulierung:

  • Die Zulassungspolitik des Bundes muss restriktiver werden. Dazu gehört auch die Veröffentlichung aller relevanten Studien und Beurteilungen.
  • Die Zulassung von Pestiziden muss weg vom Bundesamt für Landwirtschaft hin zu einer unabhängigen Instanz.
  • Der Bund muss Anreize schaffen für Produktionssysteme und -techniken, die den Pestizideinsatz reduzieren.
  • Die Forschung zu nachhaltigen Alternativen muss gestärkt werden.
  • Es braucht Untersuchungen zum Verbleib von Pestiziden in der Natur.
  • Bäuerinnen und Bauern sollen sich bei einer unabhängigen Stelle beraten lassen können und obligatorische Weiterbildungskurse zum Pestizideinsatz besuchen.

Langfristig braucht es ein grundlegendes Verbot von Pestiziden: Nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Gartenbau, im Schienenunterhalt oder im Privathaushalt.

Dass es funktionierende Alternativen zu den Pestiziden gibt, beweist die biologische Landwirtschaft bereits heute: Im Biolandbau werden keine chemisch-synthetischen Gifte eingesetzt. Dies schont nicht nur die Natur, sondern auch das Portemonnaie der Bäuerinnen und Bauern. Auch am Markt bewährt sich die biologische Landwirtschaft: Der Absatz von biologisch produzierten Lebensmitteln steigt stetig. Wir Konsumentinnen und Konsumenten leisten einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des Pestizideinsatzes, indem wir Produkte aus biologischer Landwirtschaft kaufen.

Kleiner Bach fleisst durch ein Waldgebiet Shutterstock/Matteo Fes
Kleine Gewässer sind in der Schweiz besonders stark durch Fremdstoffe belastet.

Das Schweigen der Vögel

Passend zu diesem Thema hat SRF Dok 2019 eine empfehlenswerte Dokumentation veröffentlicht:

Das Schweigen der Vögel