Braunbär am Rand eines Moores
Tier des Jahres

Tier des Jahres 2009: Der Braunbär

Der Blick zurück und der Blick nach vorne, das Motto des 100-Jahre-Jubiläums von Pro Natura, findet in der Wahl des Bären zum Tier des Jahres 2009 ein Symbol. Der Bär war erstes Wappentier des Schweizerischen Bunds für Naturschutz – heute Pro Natura – und seine Rückkehr ist heute eine der grössten artenschützerischen Herausforderungen der Schweiz.

«Der Bär ist zurück!» meldet der Schweizerische Nationalpark mit einer Medienmitteilung am 26. Juni 2005. Zuvor war vor fast genau 100 Jahren der letzte Schweizer Bär geschossen worden. Zwei weitere Bären sind 2007 im Münstertal und im Engadin aufgetaucht. Es ist zu erwarten, dass weitere Bären in die Schweiz einwandern und sich einen neuen Lebensraum suchen. Der Alpenbogen ist seit je Bärengebiet. Und er scheint es wieder zu werden. Der Bär gehört zu unserer Natur, zu unserer Kultur. Das zeigen zahlreiche Ortsnamen, seine Abbildung in Kantons- und Gemeindewappen. Nicht zu vergessen all die Gasthäuser landauf und landab, die in ihrem Namen dem «Bären» huldigen. 

Meister Petz findet bei uns günstige Lebensräume. Die Akzeptanz in der Bevölkerung und der politische Wille sind die grössten Hürden, die der Braunbär bei seinem Weg in die Schweiz überwinden muss. Die Schweiz steht in der Verantwortung, wenn Braunbären immer wieder auf natürlichem Wege einwandern. Denn: Braunbären sind nach wie vor gefährdet und deswegen europaweit geschützt.

Pro Natura und der Bär - gemeinsame 100-Jahre

Hundert Jahre sind es her, seit Basler Wissenschafter zur Gründung eines Schweizer Nationalparks den Schweizerischen Bund für Naturschutz – heute Pro Natura – gegründet hatten. Unmittelbarer Zweck von Pro Natura war es, die Finanzierung des künftigen Nationalparks zu organisieren.

2005 waren ebenfalls fast genau 100 Jahre vergangen, seit der letzte Bär in der Schweiz geschossen wurde. Zwei Jäger erlegten ihn 1904 im Engadin. Fotografen und die Dorfbevölkerung waren zu Stelle, um den Triumph über die wilde Welt festzuhalten. 100 Jahre lang galt der Bär in der Schweiz danach als ausgerottet. Bis JJ2 – vom «Blick» liebevoll in «Lumpaz» umgetauft – 2005 wieder durch Bündner Wälder streifte. Nicht zufällig tappte der erste Bär nach fast 100 Jahren in den von Pro Natura gegründeten Schweizerischen Nationalpark. Er bietet offenbar Wildnis, die dem Bären behagt. Und somit schliessen sich die Geschichts-Kreise von Pro Natura und des Bären wieder. Heute setzt sich Pro Natura politisch und mit Aufklärungsarbeit für eine konfliktarme Rückkehr des Bären in die Schweiz ein. Damit die Geschichte des Bären in der Schweiz und Europa weitergeht.

Yes, we can - mit dem Bären leben

Der Bär ist nach wie vor eine gefährdete Art und deswegen europaweit geschützt. Für die natürliche Verbreitung des Bären in Europa trägt die Schweiz eine besondere Verantwortung. Der Alpenbogen ist eines der wichtigsten Bärengebiete Europas, und die Schweiz mitten drin. Bären gehörten Jahrhunderte lang zur hiesigen Kultur. Zahlreiche Flur- und Ortsnamen sowie -Wappen zeugen von der langen Kulturgeschichte des Bären in der Schweiz. Ganz zu schweigen von den hunderten Gasthäusern quer durch die Schweiz, die den «Bären» stolz als Namen tragen. Nur die Gesellschaft hat in den rund 100 «bärlosen» Jahren verlernt, mit wilden Tieren ihr Territorium zu teilen. Pro Natura macht mit der Wahl des Bären die Menschen auf die Bedürfnisse und das richtige Verhalten gegenüber wilden Tieren aufmerksam, allen voran den Bären. Und zielt auf mehr Sicherheit für die Menschen und breitere Akzeptanz des Bären durch besseres Wissen.

Der Schweizerische Bund für Naturschutz wirbt 1908 auf einem Plakat mit dem Bären um Mitglieder. Die Litographie stammt von Anton Christoffel
Mitgliederwerbung mit dem Bären im Jahre 1908

Wer ist Meister Petz? - Ein Steckbrief

Die Körpergrösse von Braunbären (Ursus arctos) liegt zwischen 170 und 220 Zentimetern. Je nach Verbreitungsgebiet variiert das Gewicht beträchtlich. Die Männchen (120 bis 350 kg) sind deutlich schwerer als die Weibchen (75 bis 160 kg).

Der europäische Braunbär hat ein hellbraunes, zottiges Fell, die Jungtiere bilden einen hellen Halskragen aus. Neben den mächtigen Eckzähnen weisst das Bärengebiss ziemlich flache und breite Backenzähne auf. Pflanzliche Nahrung wird mit diesen «Mahlzähnen» verwertet. Die Sinnesorgane des Braunbären sind hochentwickelt, besonders Nase und Ohren. Die Neugierde des Braunbären ist ausgeprägt, ebenso seine Lernfähigkeit. Erlerntes spielt für sein Verhalten eine grosse Rolle. Da jedes Tier durch seine individuellen Erfahrungen geprägt ist, können sich die Verhaltensweisen stark unterscheiden.

Verbreitung früher und heute

...früher

Braunbären besiedelten einst die gesamte Nordhalbkugel von der arktischen Tundra bis zu den Subtropen.
Ihre hohe Anpassungsfähigkeit erlaubte ihnen, sehr unterschiedliche Lebensräume zu nutzen: Wälder aller Art, Steppen, Gebirgsland-schaften, die arktische Tundra. Die Landschaftszersiedelung, die Entwaldung Europas, aber in erster Linie die direkte Verfolgung haben den Braunbären in weiten Teilen seines einstigen Verbreitungsgebiets zum Verschwinden gebracht. Kurz nach der Ausrottung der Art in der Schweiz begann die Diskussion über die Wünschbarkeit seiner Rückkehr. Der Unterengadiner Steivan Brunies, Mitbegründer des Naturschutzbundes (SBN) heute Pro Natura, äusserte 1936 die Hoffnung auf eine natürliche Wiederbesiedlung des Nationalparkgebiets vom Südtirol her, kämpften doch damals italienische Naturschützer energisch für einen Schutz des Bären sowie die Errichtung eines grossflächigen Reservats. Siebzig Jahre später haben sich die Braunbären in der Schweiz selber wieder zum Thema gemacht. 2005 wanderte der erste Braunbär seit Jahrzehnten von Süden her wieder in die Schweiz ein.

...und heute

Die heutigen Bärenpopulationen in Europa sind an bewaldete, vom Menschen eher dünn besiedelte und meist gebirgige Gebiete gebunden. Bestimmt wird ihr Lebensraum durch die vorhandenen Nahrungsressourcen. In Europa kennen wir Streifgebiete zwischen 50 und 5000km2. Nach den Erfahrungen in anderen dicht besiedelten und intensiv genutzten Landschaften Europas bietet auch die Schweiz geeignete Lebensräume für Bären. Die höchste Dichte an Bären in Europa befinden sich in den rumänischen Karpaten. Verbreitet ist Meister Petz auch in den Alpen (Slowenien, Italien) und in den Pyrenäen. Im Norden und Osten Europas kommen ebenfalls eine stattliche Anzahl wildlebender Bären vor (Schweden, Finnland, Norwegen, Russland).

Nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika sind Braunbären verbreitet. Dort in den Unterarten Kodiakbär (Kodiakinsel und benachbarte Inseln vor der Südküste Alaskas) und Grizzlybär (westliches und mittleres Nordamerika).

Was frisst der Bär?

Die grösste europäische Landraubtierart ernährt sich in erster Linie vegetarisch. Energetisch ist ein Braunbär nie im Gleichgewicht. Entweder nimmt er rasch zu oder er magert langsam ab.

Gross ist der Hunger vor allem im Spätsommer und Herbst. Jetzt muss sich Meister Petz den Winterspeck anfressen. Erwachsene Bären müssen dazu täglich bis zu 20'000 kcal aufnehmen. Diese Energiemenge entspricht ca. 30 kg Äpfel.

Die Ernährung besteht zu dieser Zeit aus Baumfrüchten wie Eicheln, Bucheckern, in den südlichen Wäldern auch Kastanien und Beeren. Mit einem Fettvorrat, der etwa einem Drittel des Körpergewichts entspricht, verzieht sich der Bär in seine Winterhöhle.Verlässt er diese im Frühling verspürt er vorerst noch kaum Hunger. Gefressen werden zu dieser Zeit Wurzeln, Gräser und Kräuter wie Bärlauch. Willkommen ist jetzt auch das Aas von Wildtieren wie Gämsen, die Opfer des Winters geworden sind. Tierische Proteine werden zusätzlich auch in Form von Bienen, Wespen oder Ameisen aufgenommen.

Verhalten und Fortpflanzung

Bärenmännchen streifen als Einzelgänger durch die Wälder. Dabei verteidigen sie kein Revier, meiden aber andere Bären. Nur zur Paarungszeit im Sommer suchen sie den Kontakt zu einem Weibchen. Schon nach wenigen gemeinsamen Tagen und der Paarung gehen die beiden wieder getrennte Wege. Nach der Befruchtung beginnt die Entwicklung der Embryonen aber erst mit der Winterruhe der Bärin. Die Tragzeit dauert dann noch sechs bis acht Wochen. In der Überwinterungshöhle gebären die Bärenmütter zwei bis drei winzige Junge die nur 300 bis 400 Gramm wiegen. Schnell wachsen diese heran, verlassen im zeitigen Frühjahr die Wurfhöhle und bleiben für eineinhalb bis dreieinhalb Jahre bei ihren Müttern. Von diesen lernen sie günstige Nahrungsplätze und energiereiche Futtersorten kennen. Von der Mutter abgelöst bleiben Jungbären meist noch einen Sommer lang zusammen und suchen sich dann eigene Lebensräume.

Dabei versuchen junge Weibchen, in der Nähe der Mutter zu bleiben, während junge Männchen oftmals sehr weit wandern müssen, bis sie ein freies Gebiet finden. Tiere, welche die kritische Jugendzeit überlebt haben, können bis zu 25 Jahre alt werden.

Winterruhe

Als Winterlager suchen sich Bären enge Höhlen, in denen sie sich aus allerlei Pflanzenmaterial Ruhematten bereiten. In der Winterruhe nehmen Braunbären monatelang keine Nahrung auf, trinken nichts. Um zu überleben, bauen sie ihre Fettreserven ab. Bärenmütter versorgen in dieser Zeit ihre Jungen mit ihrer Milch. Während der Winterruhe sinken Körpertemperatur, Atmungs- und Herzschlagfrequenz. Weder Kot noch Urin werden ausgeschieden. Doch bei Störungen wachen die Tiere sofort auf und verlassen allenfalls sogar den Einstand. Bei mildem Wetter können Bären ihr Lager kurzfristig verlassen, so dass man auch im tiefsten Winter gelegentlich ihre Spuren im Schnee findet.

Bärin mit Jungbären Prisma / Berndt Fischer
Bärin mit Jungbäre

Bär und Mensch - das Zusammenleben ist möglich

Ein gutes Beispiel für das konfliktarme Nebeneinander von Bär und Zivilisation liegt nur wenige Kilometer entfernt von der Schweizer Grenze. Im italienischen Naturpark Adamello Brenta im Trentino fanden nach jahrelangen Vorbereitungen Bären aus Slowenien eine neue Heimat. Zehn Bären wurden dort um die Jahrtausendwende freigelassen. Die Alpenbären hätten ohne diese Blutauffrischung keine Zukunft gehabt. Denn weil es rundum keine anderen Populationen mehr gab, mit denen sie Austausch pflegen konnten, wurde ihre Genbasis zu schmal. Sie hatten keinen Nachwuchs mehr. Dank der neu angesiedelten Bären soll sich wieder ein lebensfähiger Bestand bilden. Die Bevölkerung im Trentino äusserte sich in einer Umfrage positiv zu dieser Förderungspolitik. Das lag einerseits an den Bären selbst, die mit ihrer zurückgezogenen Art nie Probleme bereitet hatten, andererseits an der intensiven Informationsarbeit der Projektverantwortlichen. Sie hatten unter anderen auch Jäger und Bauern, die zu den Kritikern gehörten, ins Projekt miteinbezogen. Die Erfahrungen unserer Nachbarländer Italien und Österreich zeigen, dass eine Koexistenz von Bär und Mensch weitgehend problemlos funktionieren kann. «Ursus arctos» ist dort sogar ein veritabler Tourismusfaktor.

Wichtig beim Zusammenleben von Bär und Mensch ist das richtige Verhalten Bären gegenüber. Dies nicht nur im sehr seltenen Fall einer Begegnung in der Wildnis. Ebenso wichtig ist die Erziehungsfunktion der Gesellschaft gegenüber den Bären. Bärensichere Abfallbehälter, keine Anfütterung und keine tollkühnen Annäherungsversuche sind zentrale Elemente für ein sicheres und konkliktarmes Nebeneinander von Mensch und Bär. Einzelne Bären, so wie «Lumpaz» oder JJ3, zeigen wenig Scheu vor der Zivilisation. Diese Scheu muss man den Bären wieder beibringen indem sie lernen, dass sie in Siedlungen nichts zu Futtern finden und nicht willkommen sind. Die meisten Bären leben jedoch scheu und zurückgezogen fernab von Siedlungen in ihren Wäldern.

Seltene Begegnungen zwischen Bär und Mensch

Abgelegene unwegsame Waldflächen sind für den Bären ideal. Gänzlich menschenleer muss ihr Streifgebiet jedoch nicht sein. Die Chance, dem Braunbären zu begegnen, ist in Verbreitungsgebieten sehr gering. Höchstens verraten die charakteristischen Spuren dessen Anwesenheit. Mit ihrem hervorragenden Geruchssinn und dem feinen Gehör bemerken sie Menschen in der Regel schon von weitem und ziehen sich zurück. Kreuzen sich die Wege von Petz und Mensch dennoch, sind Ruhe und Respekt angesagt. Sobald der Bär den Menschen wahrnimmt und realisiert, dass keine Bedrohung besteht, tritt er ruhig zum Rückzug an. Ihm hat sich tief eingeprägt, dass der Zweibeiner seine Vorfahren über Jahrtausende verfolgt und gejagt hat. Deshalb wahrt er eine sichere Distanz zu den Menschen.

Eingewanderter Bär im Münstertal/GR Sobli / Thomas Buchwalder
Eingewanderter Bär im Münstertal/GR

Bärenschäden und ihre Verhütung

Bären sind vorwiegend Vegetarier, dennoch können sie Schäden an Haustieren, Kulturen und Futtermitteln anrichten. Bären lieben Süsses. Deshalb sind Bienenhäuser und -kästen für sie ein «gefundenes Fressen», im wahrsten Sinn des Wortes. Diese lassen sich jedoch mit Elektrozäunen erfolgreich sichern. Auch Schafe, seltener Ziegen, Rinder und Pferde können Opfer von Bären werden. Werden Haustiere gehütet, nachts in den Stall gebracht oder mit Elektrozäunen gesichert, kann der Schaden jedoch stark begrenzt werden. In Europa entfallen auf einen Bären weniger als fünf tote Schafe pro Jahr. Bärenschaden an Kulturen ist im Vergleich zu Schäden durch Hirsche, Rehe, Gämsen oder Wildschweine vernachlässigbar. Schäden, die trotz aller Schutzmassnahmen entstehen, werden vom Bund und den Kantonen abgegolten.

Ein Patou bewacht seine Schafherde auf der Alp Giétroz Jean-Marc Weber
Alp Giétroz

Gefährdet und geschützt - Gesetzlicher Schutz und Management

Der Braunbär ist in der Schweiz aufgrund der Berner Konvention (1980) und der Eidg. Jagdgesetzgebung (1986) geschützt. Der Umgang mit einwandernden Bären wurde 2006 vom Bundesamt für Umwelt - BAFU im "Konzept Bär Schweiz" festgelegt. Das Konzept Bär basiert auf der Überzeugung, dass Bären und Menschen auch in der Schweiz nebeneinander existieren können. Es will die Voraussetzungen schaffen für ein möglichst konfliktarmes Zusammenleben, Schadenverhütung und -vergütung regeln sowie den Umgang mit Bären definieren, die für Menschen gefährlich werden. In einigen Ländern Europas wurden Managementkonzepte für die ansässigen Populationen entwickelt, welche den Schutz der Art und eine möglichst konfliktfreie Koexistenz mit den Menschen gewährleisten sollen. Auf europäischer Ebene besteht ein «Action Plan» des Europarates, der dieselben Ziele verfolgt. Dank diesen Bemühungen erlebten verschiedene Braunbärenpopulationen in Europa in den letzten Jahrzehnten einen Aufschwung.

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Der Braunbär ist in der Schweiz geschützt