Höhlen sind besonders fragile Lebensräume. Raphael Weber/Pro Natura
29.01.2020

Höhlenschützer Christian Lüthi: «Wir hinterlassen immer Spuren»

Um Höhlen wirksam zu schützen, müsse man zuerst erfassen, welche Lebewesen diese bewohnen. Höhlenschützer Christian Lüthi engagiert sich deshalb für die Biospeläologie, aber auch für Öffentlichkeitsarbeit und Altlastenbeseitigung.

Der Höhlenschutz ist eine zentrale Aufgabe der Schweizerischen Gesellschaft für Höhlenforschung (SGH). Zwölf regionale Gruppen widmen sich diesem Ziel und erhalten dabei professionelle Unterstützung von Christian Lüthi, Sekretär der Höhlen- und Karstschutzkommission. Lüthi betreibt zudem ein Forstingenieurbüro in Interlaken.

Pro Natura Magazin: Wenn ich während eines Waldspaziergangs zufällig einen Höhleneingang entdecke, darf ich diesen ohne Weiteres betreten und erkunden?

Christian Lüthi: Grundsätzlich schon, aber man sollte sich zuvor ein paar Gedanken machen – einerseits für die eigene Sicherheit, andererseits für die Tiere, die durch das Betreten der Höhle gestört werden könnten.

Welcher Schaden wird angerichtet, wenn man unüberlegt eine Höhle betritt?

Wir müssen uns bewusst sein, dass wir in einer Höhle immer Spuren hinterlassen und durch die Begehung fremde Organismen in sensible Lebensräume einschleppen können. Durch fachgerechte Begehungen versuchen wir Höhlenforscher die Störungen aber so gering wie möglich zu halten. Wir sind darum bemüht, bei der Erforschung von Höhlensystemen möglichst wenig an der Struktur zu verändern. Dazu kommen Grundregeln wie: nicht herumschreien, keine Feuer entfachen oder all­fällige Lebewesen nicht grell anleuchten. Das gilt insbesondere im Winter, um dann Fledermäuse nicht in ihrem Winterschlaf zu stören.

Kann zwischen Höhlenschutz und Höhlenforschung ein Zwiespalt bestehen? Einerseits besteht die Faszination, neue Höhlengänge zu entdecken, andererseits erfolgen dadurch Eingriffe in zuvor unberührte Lebensräume?

Zweifellos, wenn man etwa in einen besonders schön geschmückten Höhlenbereich mit zerbrechlichen Sinterböden kommt, richtet man unweigerlich gewisse Zerstörungen an. Es tröstet nur bedingt, dass das andere auch schon gemacht haben und machen werden. Aber sonst kommen wir an gewissen Orten nicht vorwärts und damit werden keine wichtigen Erkenntnisse für die Forschung gewonnen.

«Höhlen­lebewesen können wegen ihrer Isolation kaum auf andere Standorte ausweichen. Das macht sie besonders verletzlich.»

Höhlenforscher Christian Lüthi

Gilt das auch für die Erforschung der Fauna?

Ja, wir müssen erforschen, von welchen Organismen Höhlen bewohnt werden. Erst durch das Wissen, was alles vorhanden ist, können wir sagen, was es zu schützen gilt. Und da haben wir in der Schweiz noch starken Nachholbedarf. Eher zufällig entdeckt man immer wieder neue Arten – etwa eine Schreckenart in einem Militär­stollen oder einen Pseudo-Skorpion im Hölloch – aber die Vorgehensweise ist nicht so systematisch wie etwa in Deutschland. Deshalb möchten wir in der Schweiz die Biospeläologie nun auch vorantreiben.

Stossen Sie dabei bei den kantonalen Fachbehörden auf offene Ohren?

Das ist sehr unterschiedlich: In einigen Kantonen besteht eine gute Zusammenarbeit, in anderen haben die Leute aus den Fachämtern jedoch andere Prioritäten. Auch bei grossen Bauvorhaben in Karst­gebieten werden von Planern und Bewilligungsbehörden die teils grossen Konsequenzen auf den Untergrund zu wenig mit einbezogen.

Also ist Höhlenschutz auch Sensibilisierung?

Ja, denn die meisten Leute betrachten Höhlen als dunkle, leblose Räume. Sie verbinden damit allenfalls Tropfsteine und Fledermäuse. Aber sie haben keine Ahnung von der Vielfalt in diesen Lebensräumen. Und auch nicht von deren Fragilität. Höhlen­lebewesen können wegen ihrer Isolation kaum auf andere Standorte ausweichen und sich auch nicht mit anderen Populationen vermischen. Das macht sie besonders verletzlich.

Sensibilisierung ist zukunftsgerichtet. Ist ein Aspekt von Höhlenschutz auch rückwärtsgewandt – also die Beseitigung von Altlasten, die in Höhlen entsorgt wurden?

Ganz genau, und das ist oft eine grosse logistische Herausforderung. Was früher in eine Höhle gekippt wurde, kann wegen unterirdischer Wasserströme später weit entfernt eine Quelle kontaminieren. Da­rum müssen wir erfassen, wo Verschmutzungen vorhanden sind und können dann beurteilen, welche gefährlich sind. Ziegeldepots in Dolinen etwa sind zwar nicht schön, aber für die Umwelt nicht gefährlich. Bei Chemikalien sieht die Sache natürlich völlig anders aus, da müssen wir viel schneller handeln.

Wie haben Sie persönlich schon erlebt, dass Höhlen eben nicht nur dunkle, leblose Räume sind?

Ich habe schon unzählige Höhlen besucht, doch seit ich mich intensiver mit Biospeläologie befasse und bewusst auf die Präsenz von Tieren achte, überrascht es mich, nun auf fast jeder Höhlenbegehung Fledermäuse zu entdecken. Die waren früher sicherlich auch da, aber dann hatte ich noch nicht den Blick für sie. Experten sagen, dass wir wahrscheinlich nur rund zehn Prozent der Fledermäuse in Höhlen sehen. Der Rest versteckt sich unsichtbar. Das zeigt uns, dass in der Welt der Höhlen noch vieles im Verborgenen liegt.

Raphael Weber, Chefredaktor Pro Natura Magazin

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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.

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