(Zoo Basel, Flamingos): Aufnahme von Flamingos im Basler Zoo. Die Vögel sind ein gutes Motiv, um mit ICM-Techniken zu experimentieren. © Jiří Hřebíček Jiří Hřebíček
23.05.2025

«Die klassische Naturfotografie begann mich irgendwann zu langweilen»

Jiří Hřebíček hat mit der Aufnahme einer Krähe in einem Basler Park einen bedeutenden Preis für Naturfotografie gewonnen. Er versteht sich nicht als «Sujet-Jäger», sondern als Künstler, der seine Gedanken und Gefühle in die Fotografien einbringt.

Der «Grün 80»-Park in Münchenstein/Basel lockt an schönen Frühlingstagen Hunderte Besucherinnen und Besucher an: Junge Mütter und Väter schieben ihre Kinderwagen über die verschlungenen Wege; ältere Menschen lassen sich auf einer Bank an einem der Seen nieder und schauen dem Treiben der Wasservögel zu. Auch der Naturfotograf Jiří Hřebíček ist oft und gern im Park – am liebsten jedoch im Winter. «Dann herrscht hier eine interessante, mystische Atmosphäre», erklärt er. «In den Bäumen hängt Nebel, man hört das Gekrächze der Krähen, sieht Vögel auffliegen, es ist fantastisch.»

Sujets vor der Haustüre

Früher habe er seine Fotosujets auf Reisen in entlegenen Weltregionen gesucht, sagt der gebürtige Tscheche, heute finde er sie vor seiner Haustüre in Basel: in den umliegenden Wäldern, in Pärken, im «Zolli» oder in der Petite Camargue bei St. Louis (F). Das Interesse am Heimischen ist auch auf eine Krankheit zurückzuführen. Sie zwang Hřebíček, eine Zeitlang kürzerzutreten. Statt zur Arbeit in der chemischen Industrie ging der Familienvater fortan regelmässig in den «Grün 80»-Park, der nur fünf Gehminuten von seiner damaligen Wohnung entfernt lag. «Ich verbrachte sehr viel Zeit im Park, beobachtete Vögel und probierte neue Fototechniken aus», erinnert sich Hřebíček. Vor allem mit der «Schwenktechnik», im Fachjargon ICM (Intentional Camera Movement), habe er viel experimentiert.

Heute ist Jiří Hřebíček ein Meister dieser Technik. Dabei stellt er in der Regel eine lange Belichtungszeit von zwei bis drei Sekunden ein, fokussiert erst auf ein ruhiges Sujet und schwenkt die Kamera dann davon weg, um Farben, Texturen und Strukturen aus der Umgebung ins Bild zu holen. Hřebíček geht also eher wie ein Maler vor, und seine Fotos erinnern an impressionistische Werke. «Die klassische Naturfotografie begann mich irgendwann zu langweilen», sagt er. «Ich liebe die Natur und die Tiere und wollte dabei bleiben, aber gleichzeitig sah ich Fotografie als Kunstform. Erst mit der ICM-Technik habe ich ein Mittel gefunden, das mir ermöglicht, meine Gefühle und Stimmungen in der Fotografie auszudrücken.»

Inspiriert dazu hätten ihn die Bilder des holländischen Biologieprofessors und Fotografen Jan Van der Greef, erzählt Hřebíček. «Ich entdeckte sie im Internet und war verblüfft. Wie ist es möglich, etwas so Ergreifendes zu schaffen? Ich spürte sofort, dass dies das sein könnte, was mir helfen würde, etwas von mir und meiner Wahrnehmung der Welt in die Fotos einzubringen.» Kurz darauf, auf einer Fotoreise in Hokkaido (Japan), läuft Jiří Hřebíček zufällig Jan Van der Greef über den Weg – «das war für mich ein Zeichen, der Startschuss für meine Umorientierung.»

Wegweisende Begegnung

Sechs Jahre nachdem Van der Greef den Preis als Wildlife Photographer of the Year (Kategorie Black&White) in Empfang nehmen durfte, wurde 2024 auch Jiří Hřebíček diese Ehre in London zuteil. Unter 59 000 Bildern, die von Fotografinnen und Fotografen aus 117 Ländern eingereicht wurden, schaffte es sein poetisch-melancholisches Krähenbild in die Auswahl der besten 100 Fotografien und wurde in der Kategorie «Komposition und Form» (Natural Artistry) zum Siegerbild gekürt.

Das «Krähengemälde»

Das Krähenbild hat er im «Grün 80»-Park gemacht. «Die Szene und die Atmosphäre der untergehenden Sonne im Park erinnerten mich an das Gedicht ‹Der Rabe› von Edgar Allan Poe. Ich wollte ein Bild schaffen, das die Mystik, das Geheimnisvolle dieses Gedichts wiedergibt.» Manche mögen denken, es handle sich um einen geglückten Schnappschuss; sie liegen falsch, auch wenn der Zufall bei der ICM Technik immer mit hineinspielt. Hřebíček hat sich sein Krähenbild wochenlang erarbeitet. Unzählige Male hat er an diesem Sujet gefeilt – bis er mit dem Ergebnis endlich zufrieden war. Und nun also: Wildlife Photographer of the Year. Was bedeutet ihm dieser wichtigste Preis der Naturfotografie? «Er ist natürlich eine grosse Ehre und hilft mir, meine Karriere voranzubringen. » Noch mehr bedeuteten ihm aber die erstaunten Gesichter jener, die seine Fotos zum ersten Mal sehen: Bilder, die ganz anders wirken als das Gros der Naturfotos, die zwar eine verblüffende Nähe zu Tieren andeuten, aber doch Distanz schaffen.
 

Die internationale Ausstellung «Wildlife Photographer of the Year» gastiert bis am 29. Juni im Naturhistorischen Museum Basel. Gezeigt werden die 100 herausragendsten Bilder des Wettbewerbs. Organisiert wird der Wettbewerb vom Natural History Museum London. 

NICOLAS GATTLEN, Reporter Pro Natura Magazin

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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.

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