«Statt von ‹Umwelt› sollte man von ‹Mitwelt› reden»
Pro Natura Magazin: In der Ausstellung «Alles lebt» geht es um unsere Beziehung zur Natur. Welchen Bezug haben Sie zu dem Thema?
Ursula Regehr: Ich bin in Paraguay im Gran Chaco aufgewachsen. Die Region gehört neben dem Amazonas zum grössten zusammenhängenden Waldgebiet Südamerikas. Dort vollzieht sich gegenwärtig leider ebenfalls eine ökologische Katastrophe. Es werden über 1000 Hektaren Trockenwald pro Tag abgeholzt – für den Sojaanbau und die Viehzucht. Dadurch beraubt man Indigene ihrer Lebensgrundlage. Auch verschwinden viele Tier- und Pflanzenarten, die allein in diesem Gebiet vorkommen. Dies ist für mich ein exemplarischer Fall der globalen Krise.
Worum geht es in der Ausstellung?
Sie hinterfragt eine menschenzentrierte Weltsicht, in der Land, Wasser, Wälder und Tiere nur als Ressource gelten, die beherrscht und ausgebeutet werden. Dem zugrunde liegt eine Trennung zwischen Mensch und Umwelt im westlichen Denken. In vielen Regionen der Erde – in Amerika, Afrika, Asien, Ozeanien – existiert diese Trennung nicht: Dort ist der Mensch nur eines unter vielen Wesen, er ist Teil eines Netzes – einer Kette des Lebendigen. Alle Wesen sind miteinander verbunden und voneinander abhängig. Im Sinne dieser Perspektiven und Erfahrungen hinterfragen wir in der Ausstellung ein menschenzentriertes Weltbild und sprechen nicht von «Umwelt», sondern von «Mitwelt».
Können wir von anderen Kulturen lernen, schonender mit der Natur umzugehen?
Wir können durch die Veränderung unserer Beziehungen in der Tat lernen, respektvoller und nachhaltiger mit unserer Mitwelt umzugehen.
In der Ausstellung sind auch Bilder zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler zu sehen. Weshalb?
Wir zeigen hauptsächlich Gegenstände aus dem Museum der Kulturen Basel. Durch die Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden aus indigenen Gemeinschaften bringen wir unsere historische Sammlung zurück ins Leben und antworten auf aktuelle Herausforderungen. So zeigt zum Beispiel ein Druck von Miriam Rudolph, wie der Gran Chaco durch die Abholzung für die Rinderzucht kolonisiert und zerstört wird.
In Neuseeland haben Elemente der Natur wie zum Beispiel Flüsse sogar juristische Rechte erhalten. Dies wird in der Ausstellung thematisiert. Bringt dies konkret etwas für den Schutz des Flusses?
Ich gehe davon aus, ja. Schäden, die über eine Zeitspanne von über 100 Jahre angerichtet wurden, können aber nicht in kurzer Zeit rückgängig gemacht werden. Dies braucht Zeit, und man wird die Verbesserungen wohl erst langfristig sehen.
Inspiriert vom Basler Umweltaktivisten Bruno Manser, der vor 25 Jahren verschollen ist, kann man in der Ausstellung an einem textilen Baum knüpfen. Manser hatte sich für den Regenwald in Malaysia eigesetzt, Ihr Museum hat seine Tagebücher vor ein paar Jahren geschenkt erhalten. Welche Idee steckt hinter der Knüpfaktion?
Bruno Manser war fasziniert von riesigen Bäumen im Regenwald – wie die Zeichnungen in seinen Tagebüchern und seine Fotos zeigen. Mit der interaktiven textilen Skulptur, die das Institut für textiles Forschen in Basel geschaffen hat, laden wir unsere Gäste ein, mitzuknüpfen, sich zu vernetzen und sich als Teil der Geflechte des Lebendigen zu erfahren. Wir möchten ins Bewusstsein bringen, wie wichtig es ist, sich gegenseitig zu achten und Sorge zueinander zu tragen.
STEFAN BOSS, freischaffender Journalist
Museum der Kulturen und Ballenberg: Pro Natura Mitglieder profitieren
Das Museum der Kulturen Basel zeigt in der Ausstellung «Alles lebt – mehr als menschliche Welten», wie die Beziehungen zwischen Menschen und ihrer Mitwelt neu gedacht und geknüpft werden können. In Kooperation mit Pro Natura dreht sich am Familientag am 24. August 2025 alles um das Leben der Bäume. Geheimnisse werden gelüftet, Lieder gesungen und im Baumatelier bäumig gebastelt.
Der Eintritt für Familien ist gratis. Pro Natura ist mit einem Stand vertreten, an dem Informationen zu Naturschutz und Biodiversität in der Schweiz vermittelt werden.
Profitieren Sie ausserdem bis Ende 2026 als Pro Natura Mitglied von vergünstigten Eintrittspreisen: Zwei Personen bezahlen zusammen nur einen Eintritt, wobei nur eine der beiden Personen einen Pro Natura Mitgliederausweis benötigt.