Blumenwiese Pro Natura
01.03.2021

Biodiversitäts- und Klimakrise: Weiter wie bisher funktioniert bei beiden nicht

Die Klimaerwärmung schreitet rasant voran und mehr als ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz sind gefährdet. Eine intakte Biodiversität hilft aber, die Konsequenzen der Klimaerwärmung abzuschwächen. Die Biodiversitäts- und die Klimakrise sind nur gemeinsam lösbar und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Siebzehn Ziele für die nachhaltige Entwicklung enthält die Agenda 2030. Mit dieser wollen die UNO-Staaten gemeinsam die grossen Herausforderungen der Welt lösen. Die Agenda umfasst alle Dimensionen der Nachhaltigkeit und thematisiert nicht nur Armut und Hunger, sondern zum Beispiel auch Bildung, Gesundheit, Gleichstellung, Zugang zu bezahlbarer Energie, Friede und Gerechtigkeit und…Biodiversität und Klima.

Schlüsselfaktor Biodiversität

So verschieden die Nachhaltigkeitsziele auf den ersten Blick scheinen mögen – sie sind eng miteinander verwoben. Eine besonders wichtige Rolle kommt dabei der Biodiversität zu:

  • Die Erhaltung der Biodiversität trägt zum Erreichen der meisten anderen Ziele bei.
  • Die Biodiversität verstärkt den gegenseitigen Nutzen zwischen den Zielen und puffert allfällige negative Interaktionen ab. Dies zeigt auch ein neues Factsheet der Akademien der Wissenschaften. 
  • Eine reiche Biodiversität ist unter anderem wichtig für die Ernährungssicherheit, für Gesundheit und Wohlbefinden, sauberes Trinkwasser, Wirtschaftswachstum und nachhaltige Städte – und sie unterstützt die Bewältigung der Klimakrise.

Genetische Vielfalt, Artenreichtum und intakte Ökosysteme helfen also, den Klimawandel abzuschwächen und sich besser an diesen anzupassen. Umgekehrt lässt sich die Biodiversität nur bewahren, wenn es uns gelingt, die Klimaerwärmung markant zu verlangsamen. Denn weltweit gilt die Klimakrise nach Landnutzungsänderungen und Rohstoffabbau als die drittstärkste Bedrohung für die Biodiversität, Tendenz steigend.

Die Biodiversitäts- und die Klimakrise sind verquickt

Trotz der wissenschaftlich gut dokumentierten Wechselwirkungen zwischen Klima und Biodiversität werden die Biodiversitäts- und die Klimakrise weitgehend als unabhängige Phänomene wahrgenommen und auch so behandelt. Massnahmen werden innerhalb einzelner Sektoren erarbeitet und geraten im dümmsten Fall miteinander in Konflikt. Viel klüger wäre es, die grossen Treiber anzugehen, die hinter den beiden mensch-gemachten Umweltveränderungen stehen.

 

«Die Biodiversität unterstützt die Bewältigung der Klimakrise.»

Daniela Pauli, Biologin, langjährige Geschäftsführerin des Forum Biodiversität Schweiz

Daniela Pauli Pro Natura

Ressourcenverbrauch: Verringern statt umlagern

Einer dieser grossen Treiber ist der hohe Verbrauch (und Verschleiss) von Ressourcen aller Art. Doch statt Verschwendung und Verbrauch zu senken, wird lieber umgelagert. 

Beispiel Mobilität

Ein anschauliches Beispiel ist die Mobilität: weg von Diesel und Benzin, hin zur Elektromobilität. Hinsichtlich der Verringerung des CO2-Ausstosses mag dies eine gute Lösung sein, doch die Elektromobilität führt unter anderem zu einem gewaltigen zusätzlichen Bedarf an chemischen Elementen für die Herstellung von Batterien für Elektroautos: Nickel, Kupfer, Kobalt aber auch Metalle der Seltenen Erden, wie Molybdän, Lithium und Titan. Genau solche Elemente sind in den Manganknollen enthalten, die auf den Meeresböden der Tiefsee liegen. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten.

Doch der Abbau der Manganknollen hätte unbekannte Auswirkungen auf die Meeresökosysteme und ihre Bewohner, deren Vielfalt und Lebensweisen erst ansatzweise erforscht sind. Die (vermeintliche) Lösung eines Problems führt also durch die Hintertür zu neuen, vielleicht noch grösseren Schäden für Umwelt und Natur. Nachhaltig ist das sicherlich nicht.

Am grossen Wandel führt kein Weg vorbei

Sowohl der Weltklimarat IPCC als auch der Weltbiodiversitätsrat IPBES betonen, dass «gäng wie gäng» keine Option mehr ist. Es braucht einen grundlegenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel. Es braucht nicht nur technologische, ökonomische und soziale Veränderungen, sondern auch Anpassungen unserer Ziele und Werte. Wir müssen die Vision des «guten Lebens» vom Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch entkoppeln.