Schafherde Matthias Sorg
04.03.2019

Lasst uns über Schafe statt Wölfe reden

Die Schafhaltung wird in der Schweiz massiv subventioniert: Allein für die Sömmerung bekamen die Halter 2017 insgesamt 7,1 Millionen Franken zugesprochen. Deren Nutzen für die Artenvielfalt wird von Wolfsgegnern nun als Argument gegen die Rückkehr des Beutegreifers verwendet. Damit lenken sie von den Versäumnissen der Schafhalter ab.

Wer seine Schafe auf Alpen weiden lässt, wird dafür grosszügig entlohnt - weil der Bund in der Beweidung einen Beitrag zum Erhalt der alpinen Kulturlandschaft mit ihrer reichen Flora und Fauna sieht. Insgesamt werden jährlich 7,1 Millionen Franken als Sömmerungsbeiträge ausgeschüttet. Weil die Sömmerungsflächen nur bewirtschaftet werden können, wenn sie mit genügend Tieren bestossen werden, richtet der Bund zusätzlich Beiträge an Talbetriebe aus, die ihre Schafe auf die Alp geben – 7,5 Millionen Franken jährlich (Alpungsbeiträge). Für die Beweidung in den Voralpen gibt es Offenhaltungs-, Hang- und Steillagenbeiträge. Weitere Gelder fliessen in die Förderung der graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion, und rund 6,4 Millionen Franken gingen 2017 an die Förderung des Tierwohls (RAUS-Programm). Subventioniert werden zudem die Zucht (2 Mio.), die Wollverwertung (0,5 Mio.) oder die Herstellung von Käse (0,5 Mio.). Ausserdem ist der Import von ausländischem Lammfleisch kontingentiert. Ohne staatliche Hilfe wäre die Schafhaltung in der Schweiz unrentabel – zu gross sind die strukturellen Einschränkungen und die ausländische Konkurrenz. 

Biodiversität dank Schafen – kein Selbstläufer

Aber profitiert davon auch die Biodiversität? Richtig ist, dass Schafe für die Artenvielfalt nützlich sein können, indem sie konkurrenzschwächere Gräser fördern und in Hanglagen den Boden weniger stark beeinrächtigen als Kühe. Gemäss Monika Martin vom Büro Ökoskop ist eine Beweidung durch Schafe für die Biodiversität oft günstiger, als die Weide brachliegen und von konkurrenzstarken Grasarten überwachsen zu lassen. Auch Pro Natura setzt in ihren Schutzgebieten gelegentlich Schafe ein. Wo eine Fläche mit Gehölzen einzuwachsen droht, muss jedoch meist von Hand entbuscht werden. Und oberhalb der natürlichen Waldgrenze braucht es keine Beweidung, da die alpinen Rasen aus klimatischen Gründen nicht einwachsen können.

Doch die positiven Effekte einer Beweidung kommen nur zum Tragen, wenn die Herde richtig geführt wird. Denn Schafe nutzen die Weiden flickenteppichartig, stellenweise kommt es so zur Übernutzung. Deshalb sei es wichtig, so Monika Martin, dass die Weideschläge regelmässig gewechselt werden. Flächen, die nur kurz und in langen Abständen beweidet werden, weisen eine höhere Artenvielfalt auf als Dauerweiden. Die Vorteile einer Beweidung durch Schafe überwiegen zudem nur in Gebieten mit trockenen, wenig produktiven Böden – etwa im Wallis, wo 40 % der national bedeutenden TWW-Flächen (Trockenwiesen- und weiden) liegen. In den übrigen Gebieten schneiden Rinderweiden bezüglich Artenvielfalt besser ab. 

Heikel für Schmetterlinge

Das Fressverhalten der Schafe fördert Gräser und hält Blumen und Kräuter in Schach. Deshalb sind Schafweiden eher insektenarm. So ist in der Schweiz der Spanische Bläuling (ein Schmetterling) fast überall verschwunden, da seine Futterpflanze, der Stengellose Tragant, von Schafen gefressen wird. Im Schutzgebiet Pays d´Enhaut (FR) beispielsweise ist die Beweidung durch Schafe sogar explizit aus dem Bewirtschaftungsvertrag ausgeschlossen.

Trockenwiesen findet man hauptsächlich noch im Berggebiet unterhalb der Waldgrenze, wo sie Rückzugsgebiete für Arten sind, die im Mittelland selten geworden sind. Die Verbuschung und Wiederbewaldung ist daher für Wiesenbrüter wie das Braunkehlchen problematisch. Es profitiert von den teils durch Schafe mitgeformten Landschaften. Das Hochgebirge dagegen weist viele empfindliche Vegetationstypen auf, wo die Beweidung eher schadet. 

Subventionen auch für unbeaufsichtigte Schafe

Gemäss der Direktzahlungsverordnung sind Schafe im Wald, auf Moränen oder in Wildruhezonen verboten. Freilaufende Schafe können aber nicht daran gehindert werden, verbotenes Terrain zu betreten. So können sie Krankheiten wie Gamsblindheit und Moderhinke (bakterielle Entzündung der Klauen) auf Wildtiere übertragen oder Gämsen aus deren Weidegründen verdrängen. Kontrollen des zweckgerichteten Einsatzes der Subventionen finden meist nur sporadisch und in der Regel angemeldet statt. Viele Subventionen, etwa die RAUS-Beiträge, werden zudem unabhängig von der Art der Weideführung entrichtet. So besteht das Risiko, dass die Halter von unbeaufsichtigten Schafen, deren Tiere vielleicht sogar ökologische Schäden anrichten, Bundessubventionen beziehen.

Obwohl der Anteil gehirteter Schafherden zunimmt, bleibt über die Hälfte der gut 800 Schafalpen in der Schweiz unbeaufsichtigt – in diesen meist kleinen Herden ereignet sich die Mehrheit aller Wolfsrisse: 2018 waren es 360 der insgesamt rund 400 Risse. Auf die ungeschützten Alpen entfällt gemäss der Bundesstudie AlpFutur auch die Mehrheit der jährlich 4200 „natürlichen Abgänge“ – Schafe, welche während der Sömmerung verenden. Die Tiere siechen an Klauen- und Augenentzündungen oder Wunden dahin, stürzen ab, verwickeln sich in Weidenetzen oder verlieren den Anschluss an die Herde und gehen beim Alpabtrieb verloren. Wolfsangriffe weisen nur symptomatisch auf die Notwendigkeit einer besseren Beaufsichtigung hin. Mit einer angepassten Weideplanung und Herdenschutzmassnahmen liessen sich sowohl die Sicherheit der Schafe als auch der Zustand der Weiden verbessern. Die gängige Praxis, Schafe unbeaufsichtigt sich selbst zu überlassen, hat dagegen keine Berechtigung mehr. 

Schafe kosten viel mehr als Wölfe

Der Bund unterstützt nicht nur die Schafhaltung und –sömmerung, sondern auch den Herdenschutz. 3 Mio. Franken beträgt dafür das Jahresbudget des Bundesamts für Umwelt BAFU. Für den Unterhalt und Einsatz eines Schutzhundes etwa stellt es 1500 bis 3500 Franken zur Verfügung. Auch Tierarztkosten und Aufzucht, Nachtpferche, Aufrüstung von Weidezäunen oder das Auszäunen von Wanderwegen werden finanziell unterstützt. Nachweislich vom Wolf gerissene Schafe werden mit 200 bis über 2000 Franken entschädigt – der Betrag liegt oft über dem reinen Fleischwert der Tiere.

Viele Schafzüchter und Politiker malen schwarz für unsere Alpen: Der Wolf verunmögliche die Sömmerung, weshalb seine Anwesenheit die Artenvielfalt und den Tourismus schädige. Zudem koste der Wolf  „Millionen“. Die Polemik der Wolfsgegner steht jedoch in keinem Verhältnis zu den durch Wölfe angerichteten Schäden. Mehr noch, sie verkennt die Tatsache, dass die Schafhaltung den Bund das Mehrfache kostet – und dass es beim Schutz von Schafen und Weiden noch immer dringenden Handlungsbedarf gibt.

Schafhaltung und Wolfsmanagement in Zahlen

  • Anzahl Schafe Schweiz total: ca. 350´000
  • Anzahl Schafe gesömmert: knapp 200´000
  • Alpbetriebe (2017): 180 behirtet / 204 Umtrieb / 425 übrige (Standweide)
  • Sömmerungsbeiträge Schafe: 7,1 Mio. CHF / Jahr
  • Alpungsbeiträge Schafe: 7,5 Mio. CHF / Jahr
  • RAUS-Beiträge Schafe: 6,4 Mio. CHF / Jahr
  • Herdenschutz-Unterstützung BAFU: max. 3 Mio. CHF / Jahr
     

SARA WEHRLI

Weiterführende Informationen

Info

Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.

Das Pro Natura Magazin nimmt Sie mit in die Natur. Es berichtet über kleine Wunder, grosse Projekte und spannende Persönlichkeiten. Prächtige Bilder und exklusive Angebote runden das Lesevergnügen ab. Alle Pro Natura Mitglieder erhalten das Magazin exklusiv fünf Mal im Jahr. Es blickt auf 48 Seiten hinter die Kulissen politischer Entscheide, präsentiert Forschungsergebnisse, erklärt die Natur. Und es schildert, wo, wie und warum Pro Natura für die Natur kämpft.

Speichern

Drucken