Nahaufnahme einer Eichenstabflechte Christoph Scheidegger, WSL
20.03.2023 Artenschutz

Angewiesen auf alte Eichen

Flechten sind Doppelwesen aus Pilzen und einzelligen Grünalgen oder Blaualgen (Cyanobakterien), die jeweils in einer Symbiose zusammenleben.

Der Algenpartner (Fotobiont) betreibt Fotosynthese und versorgt sich und den Pilzpartner (Mycobiont) mit Kohlenhydraten. Im ­Gegenzug versorgt der Pilz die Flechte mit Wasser und mineralischen Nähr­stoffen und bietet der Alge Schutz vor zu inten­siver Sonnenstrahlung und algen­fressenden Tieren.

Die Eichenstabflechte (Bactrospora dryina), eine von über 1700 in der Schweiz vorkommenden Flechtenarten, gehört gemäss Roter Liste der gefährdeten baum- und erdbewohnenden Flechten der Schweiz aus dem Jahr 2002 zu den ­verletzlichen Arten. Sie kommt in ­tiefen Lagen nördlich der Alpen vor und zählt wegen ihrer Wuchsform zu den ­Krustenflechten. Der Symbiosepartner des Pilzes ist eine Grünalge der Gattung ­Trentepohlia. Die Eichenstabflechte lebt auf der überhängenden Seite von geneigten Stämmen alter Stiel- und Trauben­eichen mit tief-rissiger Borke in südlicher oder östlicher Exposition. So ist sie ­geschützt vor direktem Niederschlag wie Schnee, Regen oder Hagel, der in der ­Regel von Westen kommt. Die Eichenstabflechte lässt die Borke weiss erscheinen. Die schwarzen Punkte stammen von den Fruchtkörpern des Pilzes.

Wegen ihres nur langsamen Wachstums und kleinräumigen Ausbreitungspoten­zials wurde in einem Projekt im Kanton Zug mittels Transplantation versucht, die Flechtenart auszubreiten. Im Gebiet Zollischlag, wo bereits 42 Eichenstämme von der Eichenstabflechte besiedelt waren, wurde an einer absterbenden Eiche Flechtenmaterial gesammelt und samt Borkenstücken an unbesiedelte Bäume geklebt. Die Mehrheit der Transplantate hat an den regengeschützten Stammseiten, wo die Flechte ja auch natürlicherweise wachsen würde, zwei Jahre überlebt. Ob sie sich am neuen Standort auch ausbreitet, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen.

Sabine Mari, Projektleiterin Ratgeber.

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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.

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