Die Sense, einer der wenigen unverbauten und natürlichen Flüsse der Schweiz Raphael Weber
26.02.2024 Biodiversitätskrise

Wie die Klimakrise die Biodiversität bedroht

Umwelt und Menschen fehlt die Zeit, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Die überdurchschnittlichen Temperaturen führen zu Zusammenbrüchen von Lebensgemeinschaften und Artensterben. Die bedrohliche Folge: Die Biodiversitätskrise wird zusätzlich befeuert.

Die Vielfalt der Schweizer Tier- und Pflanzenwelt ist durch den Klimawandel bedroht. Das Problem liegt nicht darin, dass sich das Klima verändert. Ein über alle Zeiten bestehendes fixes Klima gibt es nicht. Wetterschwankungen in der Schweiz sind normal. Es gibt kalte und milde Winter, frühe und späte Frühlingsanfänge und nasse oder trockene Sommer. Unsere einheimischen Tier- und Pflanzenarten kommen mit diesem wechselhaften Wetter zurecht. Durch den Klimawandel steigt aber die Durchschnittstemperatur und es gibt mehr und heftigere Wetterextreme. Das führt zu:  

  • Einem Anstieg an heissen und trockenen Sommer
  • Weniger Schnee 
  • Einem Anstieg an starken Regenfällen mit Überschwemmungen, Murgängen und Stürmen. 
Hochwasser Urs Graf
Hochwasser in der Maschwander Allmend.

Diese Folgen des Klimawandels sind eine Gefahr für die Schweizer Tier- und Pflanzenwelt. Hochgradig problematisch ist die Geschwindigkeit der Veränderung. Menschen und Umwelt fehlt so die nötige Zeit, um sich anzupassen. Im Folgenden zeigen wir Ihnen konkrete Beispiele. 

Wenn sich Flüsse erwärmen 

In wärmeren Gewässern hält sich nicht genug Sauerstoff. So verschwindet beispielsweise die Bachforelle aus den Bächen.

Durch Extremereignisse kann sich ein Lebensraum komplett verändern. Wenn in einem trockenen Sommer ein Bach austrocknet, so sterben alle Fische. Es sterben aber auch alle anderen auf Wasser angewiesenen Lebewesen - von der Köcherfliegenlarve bis zum Plattwurm. Die Artengemeinschaft wird komplett ausgewechselt. Und nicht nur das; in der Umgebung des Gewässers wird der Boden zu trocken, so dass auch Bäume absterben. Die trockenen Sommer haben schon ganze Buchenbestände ausgelöscht. 

Trockenes Flussbett
Wenn dem Schneehasen die Tarnung fehlt

Der Lebensraum des Schneehasen wird kleiner, weil in tieferen Lagen der Schnee als Tarnung fehlt. Mit seinem weissen Winterfell wird der Schneehase auf den schneefreien Flächen für Greifvögel eine leichte Beute.  

Wenn Fledermäuse erwachen

Ein Teil unserer Fledermäuse überwintert in Baumhöhlen. Wenn es im Winter einen Wärmeeinbruch gibt, erwachen die Tiere und müssen einen kühleren Schlafplatz suchen. Ein heikles Unterfangen, denn das kostet viel Energie und damit manchmal auch das Leben. Wenn sich solche Wärmeeinbrüche häufen, gefährdet das die Fledermäuse in Baumhöhlen.   

Wenn Stürme toben

Ein starker Sturm kann ganze Wälder umknicken. Förster und Waldbesitzer suchen deshalb nach Lösungen, den Wald klimaresistenter zu machen.  

Wenn Hochwasser aufkommt

Auch Hochwasser können das Artensterben befeuern. Mit einem Hochwasser werden Nährstoffe in ein Flachmoor gespült, so dass seltene Arten wie die Sibirischen Schwertlilie gefährdet sind. Das Hochwasser schwemmt Fische in einen Teich, so dass sich Amphibien nicht mehr Fortpflanzen können. 

Diese Beispiele zeigen: Die Zunahme der Extremereignisse durch den Klimawandel befeuert das Artensterben. 

Klimakrise löst Lebensgemeinschaften auf 

Tier-, Pflanzen-, und Pilzarten leben nicht isoliert. Sie stehen miteinander in Beziehungen. Durch den Klimawandel wird das Zusammenspiel verschiedener Arten aufgebrochen und durcheinandergewirbelt.  

Zum Beispiel gibt es Wildbienen, welche nur Pollen von einer Pflanzenart sammeln. Sie schlüpfen dann, wenn diese Pflanzenart blüht. Blüht die Pflanze früher, findet die Biene zu wenig Nahrung für ihre Nachkommen. Für diesen Effekt gibt es nur wenig Nachweise. Nicht weil es ihn nicht gibt, sondern weil einheimische Lebensgemeinschaften schlecht erforscht sind.  

Wildbiene Matthias Sorg

Ein weiteres Beispiel ist der Trauerschnäpper, ein Zugvogel. Er füttert seine Nachkommen mit Raupen. Weil die Pflanzen früher Blätter austreiben, beginnt auch die Raupenentwicklung früher. Wenn nun der Trauerschnäpper aus dem Überwinterungsgebiet zurückkommt, haben sich viele Raupen schon fertig entwickelt. Doch der Trauerschnäpper beginnt erst mit der Brut. Es besteht die Gefahr, dass nicht mehr genügend Raupen als Futter für die Jungvögel verfügbar sind. Diese Störungen der Lebensgemeinschaften bestärkt die Biodiversitätskrise weiter. 

Fehlende Naturschutzflächen 

Ein weiterer Grund für die Biodiversitätskrise ist die intensive Nutzung unseres Landes. Die Schweiz hat einen besonders hohen Anteil an gefährdeten oder vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten und wir haben europaweit den kleinsten Anteil an geschützten Lebensräumen.  

Pro Natura Schutzgebiet Brunnenkresse im Kanton Bern
Schweiz muss vorwärts machen

Die UNO-Biodiversitätskonvention beschloss 2023 umfassende Ziele zur Bekämpfung des akuten Artensterbens. Dazu gehört, 30 Prozent der Erdoberfläche bis 2030 unter Schutz zu stellen. Anstatt mit effektivem Naturschutz versucht die Schweiz, dieses Ziel mit geschönten Zahlen zu erreichen. Pro Natura kritisiert die Untätigkeit. 

Wieso betrifft die Biodiversitätskrise auch den Menschen?

Wenn das Zusammenspiel der Lebewesen nicht mehr klappt, bekommen auch wir Menschen das zu spüren. Ein Beispiel betrifft die Nahrungsmittelproduktion. Wenn die Temperaturen wärmer werden, blühen unsere Obstbäume früher. Kommt dann ein Kälteeinbruch, kann ein grosser Teil der Ernte ausfallen. Wenn im Frühjahr wegen Starkregens die Gemüsefelder unter Wasser stehen, fehlen später Schweizer Salate und Zwiebeln im Einkaufsregal.  

Trockene Sommer schwächen in tiefen Lagen die Fichten. Der Borkenkäfer greift die Bäume weiter an. So wird die Fichte in den kommenden Jahrzehnten aus dem Mittelland verschwinden. Der Holzwirtschaft geht dadurch der wichtigste Nutzbaum verloren.  

Im Hitzesommer kann es vorkommen, dass Ihr Lieblingsbadeplatz wegen der hohen Konzentration an giftigen Blaualgen gesperrt wird. Wenn Sie nach dem erfrischenden Bad unter ihrer Haut die Entenflöhe jucken, dann wissen Sie: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur sind auch für Sie hautnah spürbar. 

Unser Beitrag gegen die Biodiversitäts- und Klimakrise 

Was können Sie tun? Der Klimawandel wird durch das Verbrennen von Kohle, Erdöl und Gas angeheizt. Indem wir unseren ökologischen Fussabdruck reduzieren, können wir helfen, dass der Klimawandel nicht noch weiter voranschreitet.  

Sie können in Ihrer Gemeinde Projekte unterstützen damit mehr Regenwasser im Boden versickert und im Siedlungsgebiet mehr Pflanzen wachsen. Denn weniger Asphalt und mehr Bäume machen die Sommerhitze erträglicher. Besonders wichtig sind auch mehr geschützte Naturflächen. Die Schweiz hat viel zu wenig geschützte Naturflächen und die meisten dieser Gebiete sind erst noch sehr klein.

Aufwertung im Siedlungsraum Angela Peter

Grössere Naturflächen verringern die Gefahr, dass Lebensgemeinschaften nicht mehr funktionieren und Arten aussterben.  

Kleinstruktur mit Echse
Naturtipps

Sie möchten auf Ihrem Balkon eine Oase für die Biodiversität kreieren oder in Ihrem Garten Kleinstrukturen für Tiere einrichten? Wir teilen gerne unsere Naturtipps mit Ihnen.