Aufgescheuchte Steingeiss Matthias Sorg
05.03.2018 Artenschutz

Drohnen: «Unbekanntes Objekt im Anflug»

Die boomende Drohnenfliegerei scheucht immer mehr Wildtiere in ehemals ruhigen Gebieten auf. Pro Natura setzt sich für griffigere Regeln und eine Sensibilisierung der Drohnenpiloten ein.

Ein Herbstmorgen auf dem Augstmatthorn im Berner Oberland. Der ganze Berggrat nördlich des Brienzersees ist als eidgenössisches Wildtierschutzgebiet bezeichnet und bekannt für seinen Wildreichtum. Das schöne Wetter und die phänomenale Aussicht locken schon in der Morgendämmerung Dutzende von Wanderern auf den Grat. Trotz des intensiven Betriebs lassen sich zahlreiche Gämsen und Steinböcke beobachten, die oberhalb der Waldgrenze verstreut äsen. Doch plötzlich kommt Bewegung in die Tiergruppe. Kreuz und quer flüchten die Gämsen und Steinböcke hinunter in den Wald. Nach wenigen Minuten ist eine Fläche von zwei Quadratkilometern leergeräumt, 80 Tiere sind "verschwunden". Was ist passiert? Vom Grat war eine Drohne gestartet. Der kleine, ferngesteuerte Multikopter flog längere Zeit über dem Grat sowie der steilen, für Menschen unzugänglichen Südseite des Augstmatthorns. Vermutlich ging es um Videoaufnahmen.

Solche Vorkommnisse wurden in jüngster Zeit häufiger gemeldet: Mal fühlten sich Besucher eines Naturschutzgebiets gestört, mal wurden Wasservögel am Seeufer aufgescheucht, mal wurde ein Steinadler am Horst belästigt. Sie sind Zeichen eines rasant wachsenden Trends: 2015 gab es geschätzte 20'000 Drohnen in der Schweiz, 2017 waren es bereits 100'000.

Vögel reagieren besonders sensibel

Viele Drohnenbesitzer sind sich nicht bewusst, dass ihre Fluggeräte für die Wildtiere eine Gefahr sein können. So hat eine Studie der Schweizerischen Vogelwarte gezeigt, dass insbesondere Vögel sehr sensibel auf Drohnenflüge reagieren. Die Drohnenfliegerei kann zu energieverschleissenden Fluchten, Lebensraumverlusten, Stress oder gar Unfällen führen", erklärt Michael Schaad von der Vogelwarte. Dramatisch ist insbesondere, wenn Vögel ihr Brutgeschäft abbrechen oder gar nicht erst beginnen.  Die Vogelwarte empfiehlt, Vögel nie direkt anzufliegen, zu Naturschutzgebieten eine Distanz von mindestens 200 Meter einzuhalten und auf Flüge an Brutstandorten zu verzichten.

Die Rechtslage in der Schweiz hinkt der technischen und kommerziellen Entwicklung hinterher. Bei den aktuell geltenden Einschränkungen stehen Aspekte der Sicherheit, des Datenschutzes und der Luftfahrt vor den Naturschutzanliegen. Einzig in den Wasser- und Zugvogelreservaten und in den eidgenössischen Jagdbanngebieten ist das Fliegen mit Drohnen untersagt. Also auch im beschriebenen Fall Augstmatthorn.

Aber wenn ein Verbot weder kommuniziert noch kontrolliert wird, ist seine Durchsetzung schwierig. Pro Natura fordert, dass sich Drohnen in geordneten, naturverträglichen Bahnen bewegen. Für grosse Drohnen, die von professionellen Piloten (z.B. zur Vermessung) gesteuert werden, müssen klare rechtliche Vorgaben gelten. Die kleinen Freizeit-Drohnen sind schwieriger zu kontrollieren, sie stellen aber in Naturschutzgebieten oft das grössere Problem dar. In dieser Nutzergruppe besteht noch ein grosses Sensibilisierungspotenzial. Gemeinsam mit anderen Organisationen, mit dem Bund, den Kantonen und Vertretern der Drohnenflieger engagiert sich Pro Natura für griffigere Regeln und eine Sensibilisierung der Drohnenpiloten.

Heli-Biking erreicht die Schweiz

Das Heliskiing sorgt seit Jahren für hitzige Debatten. Die Touristiker pushen das Angebot, während die Erholungssuchenden und Naturschützer den Helikopterlärm und die Erschliessung von unberührten Geländekammern (auch in geschützten Landschaften) kritisieren. Und nun kommt als neuer Trend das Heli-Biking in die Schweiz. Mountainbikes und ihre Fahrer werden mit Helikoptern auf Berggipfeln geflogen, um danach auf Bergwanderwegen ins Tal zu fahren. Problematisch sind dabei nicht nur die zusätzlichen Flüge. Mountainbiker werden in Gebiete geflogen, wo sie aus eigener Kraft kaum hingelangen. Konflikte mit der Natur und mit anderen Touristen sind vorprogrammiert.

Andreas Boldt, Projektleiter Freizeitaktivitäten & Naturschutz

Weiterführende Informationen

Info

Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.

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