Bundesgericht hält fest: vor Abschuss muss Herdenschutz nachgewiesen sein
Mit seinem Urteil vom 30. Juni 2025 bestätigt das Bundesgericht, dass der Kanton St. Gallen den Abschuss eines Einzelwolfs im Schils / Weisstannental wegen mangelhafter Herdenschutzprüfung nicht hätte bewilligen dürfen. Es heisst die damit zusammenhängende Beschwerde von Pro Natura gut.
Rasche, praxisnahe Prüfung ist möglich
Auslöser des Verfahrens war ein Vorfall vom 11. November 2023, bei dem auf der Heimweide Hohrüti im Weisstannental acht Schafe gerissen wurden. Ohne die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung der Umstände erliess die kantonale Jagdverwaltung eine Abschussverfügung gegen eines der beiden Tiere eines Wolfspaars.
In seinem Urteil hält das Bundesgericht fest, in welchen Punkten dieses Vorgehen gesetzeswidrig war:
Fehlende Herdenschutzprüfung vor Ort: Der zuständige Herdenschutzbeauftragte verliess sich auf vier vom Tierhalter selbst eingereichte Fotos, darunter zwei undatierte Spannungsmessungen am Zaun und Bilder von eingeschneiten Zaunabschnitten. Stattdessen wäre eine rasche, praxisnahe Prüfung durch den Herdenschutzbeauftragten vor Ort zwingend. Die Vollzugshilfe des BAFU und die AGRIDEA-Merkblätter geben dafür die Standards vor.
Bewilligung vor Prüfung: Die Abschussbewilligung wurde noch vor Abschluss der Herdenschutzprüfung erlassen. Eine Abschussverfügung darf erst erteilt werden, wenn nachgewiesen ist, dass adäquate Herdenschutzmassnahmen umgesetzt waren. Das ist einfach und rasch vor Ort möglich.
Das Urteil des Bundesgerichts stärkt den bundesweiten Standard im Herdenschutz und stellt klar, dass ein Wolfsabschuss nur nach objektiver, nachvollziehbarer Prüfung des Sachverhalts zulässig ist. Wie zahlreiche korrekte Verfügungen aus anderen Kantonen zeigen, ist es möglich die gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen und Abläufe rasch und ohne grossen Mehraufwand zu gewährleisten. In diesem Sinne vertraut Pro Natura darauf, dass die Behörden künftige Verfügungen sorgfältig prüfen.
Zitat:
«Der Entscheid des Bundesgerichts unterstreicht die Wichtigkeit von korrekt umgesetzten Herdenschutzmassnahmen und ist ein klares Zeichen für die Einhaltung von Recht und nationaler Standards im Umgang mit geschützten Tierarten».
Sara Wehrli, Projektleiterin Jagdpolitik und grosse Beutegreifer
Weitere Informationen:
Auf Wunsch kann das vollständige Urteil des Bundesgerichts 2C_68/2024 zugestellt werden
Kontakt:
Sara Wehrli, Projektleiterin Jagdpolitik und Grosse Beutegreifer, @email, 061 317 92 08
Verbandsbeschwerderecht
Mit dem Verbandsbeschwerderecht kann einzig erreicht werden, dass die geltenden Gesetze eingehalten werden. Eine Beschwerde bewirkt, dass ein Gericht besonders heikle Projekte mit Eingriffen in die Natur auf ihre Rechtmässigkeit prüfen kann. Den Entscheid fällt immer das Gericht. Weist es eine Beschwerde ab, müssen die Verbände für die Verfahrenskosten aufkommen. Die vom Bundesrat bestimmten Organisationen müssen über den sorgfältigen Gebrauch des Beschwerderechts jährlich Rechenschaft ablegen. Das Verbandsbeschwerderecht besteht seit 1967 und wurde 2007 umfassend revidiert. 2008 hat es das Schweizer Volk mit 66 % der Stimmen in allen Kantonen bestätigt. Dank dem Beschwerderecht gerettet: Aletschgebiet, Bolle di Magadino, Rebberge im Lavaux etc. Mehr dazu: www.stimmedernatur.ch