Modernisierungen auf der Alp
Unser Tagesziel ist Gros Jable, eine Alp im Vallée de la Torneresse, mitten im Pays d'Enhaut. Die Alp ist im Besitz der Waadtländer Sektion von Pro Natura. «In den 1970er-Jahren, als der Tourismus in der Schweiz boomte, beschloss die Sektion, mehrere Alpen zu erwerben», erklärt die Schutzgebietsverantwortliche Kelly Delavy. Nicht etwa mit dem Ziel, die Natur unter eine Schutzglocke zu stellen, sondern um die traditionelle Rolle der Berglandwirtschaft fortzuführen und die wertvollen Wiesen und Weiden zu erhalten. «Ohne Beweidung würden die Flächen schnell wieder verwalden», sagt Kelly Delavy. «Deshalb setzen wir uns für den Erhalt einer traditionellen Landwirtschaft ein, die auch möglichst nachhaltig ist.»
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Tania Araman
- 50 Kühe und 70 Rinder sind im Sommer auf Le Jable. Ohne Beweidung würden die Flächen schnell verwalden.
Kelly Delavy führt uns zu Bergbauer Nicolas Henchoz, der seit zwölf Jahren mit seinen fünfzig Kühen und siebzig Rindern jeweils den Sommer in Le Jable verbringt. Um zu ihm zu gelangen, nehmen wir eine kleine Seilbahn, die normalerweise dem Transport von Material und Personal vorbehalten ist. Dabei können wir das Naturschutzgebiet La Pierreuse mit seinen sattgrünen Gipfeln, Weiden und Tannen- und Fichtenwäldern von oben bewundern. Kelly Delavy: «Keine unserer Alphütten liegt oberhalb der Waldgrenze. Da solche Gebiete bereits waldfrei und offen sind, würde sich dort ein Engagement nicht lohnen.»
Nach etwa 15 Minuten sind wir am Ziel angekommen. Die Kühe sind noch im Stall. Das einzige Lebenszeichen ist ein Räuchlein, das aus dem Kamin steigt. Im Inneren der Hütte finden wir Nicolas Henchoz beim Käsen. In einem grossen Kessel, der mit Holzfeuer beheizt wird, nimmt der Étivaz seinen Anfang. «Das ist eines der Kriterien, um das Label AOP zu erhalten», erklärt Henchoz. Diese Anforderung geht auf die Gründung der Genossenschaft der Étivaz-Produzenten AOP im Jahr 1935 zurück. In den letzten Jahren kamen weitere Normen hinzu, namentlich in Bezug auf die Hygiene. «Und hier kommt Pro Natura Waadt, der Eigentümer, ins Spiel», betont Kelly Delavy. «Wir finanzieren beispielsweise die Erneuerung des Bodens im Käsereiraum oder den Bau eines Miststocks hinter der Alphütte, der nun auf allen Alpen vorgeschrieben ist.»
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Tania Araman
- Seit zwölf Jahren produziert Nicolas Henchoz in einem grossen, holzbefeuerten Kessel Ètivaz-Käse.
Auf einer grossen Betonplatte, die auf drei Seiten durch Mauern begrenzt ist, wird der Kuhmist einige Wochen lang gelagert. «Die Flüssigkeit läuft in einen Graben, den Rest verteilen wir nach einem genauen Plan auf der Weide, um die Flora so wenig wie möglich zu beeinträchtigen», erklärt Nicolas Henchoz.
Mehr Komfort für die Bergbauern
In Gros Jable wurden bereits 2016 Solarzellen installiert, die die Alphütte autark machen. Nur das Melksystem für die Kühe wird von einem Generator betrieben. Nun steht die Erneuerung des Schindeldachs an. Nicolas Henchoz wird die Gelegenheit nutzen, um im Obergeschoss der Hütte ein weiteres Zimmer einzurichten, in dem dann von Anfang Juni bis Mitte August seine Frau und die drei kleinen Kinder etwas bequemer untergebracht sein werden. «Die Zeiten haben sich geändert», meint Kelly Delavy. «Früher gingen die Bauern allein auf die Alp. Komfort gab es dort keinen, es gab weder Wasser noch Strom und manchmal nur ein Strohbett. Heute möchten die Bergbauern oft ihre Familie dabeihaben. Wenn wir unsere Älpler behalten wollen, müssen wir ihnen gute Arbeitsbedingungen bieten.»
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Tania Araman
- Dank einem neuen Miststock hinter dem Stall können die Düngestoffe besser gelagert und präzise verteilt werden.
Die Gesamtkosten für die seit 2022 in Gros Jable durchgeführten Renovierungs- und Unterhaltsarbeiten belaufen sich auf 90 000 Franken. Auch bei den anderen zehn Alphütten, die im Besitz von Pro Natura Waadt sind, müssen regelmässig Renovationen durchgeführt werden. Die Sektion wird dabei mit Subventionen des Kantons und des Fonds Landschaft Schweiz unterstützt. Zudem hat sie ein Fundraising organisiert, um über mehrere Jahre auf ein fixes Budget zählen zu können.
Als wir die Alp verlassen, sind die Kühe am Grasen, und die Klassenkameraden eines der Kinder von Nicolas Henchoz schauen bei der Käseherstellung zu. Wir steigen wieder in die kleine Seilbahn – deren Unterhaltskosten übrigens auch von Pro Natura Waadt getragen werden – und fahren zu Tal. Kelly Delavy unternimmt diese Fahrt während des Sommers regelmässig, um nachzuschauen, ob auf der Alp alles gut läuft. «Als wir die Alphütten kauften, befürchteten die Leute, dass wir sie verfallen lassen würden. Sie konnten sich mittlerweile vom Gegenteil überzeugen.»
Tania Araman, Redaktorin Pro Natura Magazin
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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.
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